Heute, unterwegs in der Fussgaengerzone,
um in der Innenstadt einen Text: den Text von Hoelderlins Der Tod
des Empedokles zu kaufen, dachte ich daran, wie sehr dieser Text
in dem gleichnamigen Film von Danièle Huillet und Jean-Marie Straub
als das erscheint, was er ist - ein Dokument einer
Zeit, in der etwas in Bewegung geriet, naemlich:
das Denken, und die sozialen Verhaeltnisse. Um nur zu frueh schon wieder
zu erstarren und zurueckgenommen zu werden. Ausser im Denken der Wenigen,
die - wie Hoelderlin - weiterdachten, in einer Richtung, die laengst wieder,
selbst im Geburtsland der Revolution, geaechtet worden war.
Ich musste ploetzlich daran denken,
dass dieses Dokument, eines radikalen Dichters, der (wie es Jean-Marie
Straub in Bochum gesagt hatte) "zu frueh" einige Zusammenhaenge begriff,
durch den Film jetzt vielleicht etwas weniger ein vergessenes Dokument
sein wuerde. Auch wenn den Filmmachern darin recht zu geben ist, dass ein
Begreifen dieses Dokumentes heute bereits, fast schon, zu spät
kommen
koennte.
Der Film haelt, moechte ich behaupten,
dieses Fast schon zu spaet ebenso fest, wie er das zu
frueh gekommene Dokument jetzt, in dieser Endzeit der 'Vorgeschichte',
be-greifbar macht: die Schönheit einer Natur, ueber die Brecht
nicht sprechen wollte, ist's, die der Film konfrontiert mit Hoelderlins
Text - so, als muessten wir ihrer noch einmal gewahr werden; vielleicht
zum letzten Mal, vor ihrem Verschwinden.
9. April 1987 |